


Großer Niedriglohnsektor, weit unterdurchschnittliche Kaufkraft, hohe Zuwachszahlen bei der Leiharbeit.
Selten sind die Probleme der Fuldaer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer so schonungslos analysiert worden wie von Stefan Körzell, dem Hauptredner des diesjährigen Neujahrsempfangs der SPD. Ich kann über das Märchen vom glücklichen Chef der Fuldaer Arbeitsagentur nur noch schmunzeln, so der Bezirksvorsitzenden des DGB Hessen-Thüringen. In der Region Fulda arbeite jeder vierte vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer im Niedriglohnsektor.
Besonders schlecht ergehe es den sozialversicherungspflichtig beschäftigten Frauen: von ihnen arbeiteten 44,5 % im Niedriglohnsektor. Körzell: Das ist der Spitzenwert, hessenweit liegt der Anteil bei nur 29,5 %. Spitze sei Fulda aber auch bei der Leiharbeit. Allein zwischen 2005 und 2010 sei die Zahl der Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer um 65 % gestiegen. Im häufigsten Einsatzgebiet, dem verarbeitenden Gewerbe, liege der Durchschnittslohn eines Leiharbeiters in der Region Fulda bei 1.029 , brutto wohlgemerkt. Von solchen Löhnen könnten die wenigsten Leiharbeiter leben, sodass sie ergänzende Sozialleistungen beantragen müssten. Mit dieser Aufstockerei muss endlich Schluss sein, so Körzell.
In Fulda bestehe bald die Hälfte der Haushalte, die Hartz 4 beziehen, aus sogenannten Aufstockern. Es kann nicht angehen, dass Arbeitnehmer mit ihren Steuergeldern Niedriglöhne subventionieren, meint Körzell. Der Bundesgesetzgeber müsse diesen Zustand beenden, indem er bei der Leiharbeit den Grundsatz gleichen Lohn für gleiche Arbeit gesetzlich vorschreibt. Die schwarz-gelbe hessische Landesregierung müsse hingegen per Gesetz sicherstellen, dass öffentliche Aufträge nur noch an tarifgebundene Unternehmen erteilt werden dürfen. Zudem kritisierte er, dass Geschäfte in Hessen bis 24.00 Uhr geöffnet bleiben dürften. Dies habe dazu geführt, dass gerade in den Abendstunden 400,- Kräfte eingesetzt würden, während viele Verkäuferinnen und Verkäufer ihre Arbeitszeit reduzieren müssten.
SPD-Unterbezirksvorsitzende Sabine Waschke schloss sich den Forderungen Körzells an und verwies auf das von ihr erarbeitete Mittelstandsförderungsgesetz der SPD-Landtagsfraktion. Dieses Gesetz soll sicherstellen, dass nur tarifgebundene Betriebe öffentliche Aufträge erhalten dürfen, sagte Waschke. In den kommenden Bundestags- und Landtagswahlen gehe es ganz konkret um Verbesserungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Rückblickend auf die Kommunalwahl verwies sie auf Erfolge in einigen Gemeinden, meinte aber auch, dass sie sich an der einen oder anderen Stelle auch mehr gewünscht hätte. Es sei ihr ein besonderes Bedürfnis, sich bei den vielen engagierten Menschen zu bedanken, die die SPD während der Kommunalwahl unterstützt hätten.
Dank gebühre auch dem Landratskandidaten Jonathan Wulff für dessen engagierten Wahlkampf. Waschke bedauerte aber auch, dass die Grünen sich nicht dazu durchringen konnten, Wulff zu unterstützen. Das hat die Stimmen der Opposition unnötig gespalten, meinte die Landtagsabgeordnete.
Der Neujahrsempfang endete mit Ehrungen. Rudolf Vogel, Alfred Schmauch, Werner Ulrich und Georg Eifer wurden für 40 Jahre Parteimitgliedschaft geehrt. Emil Mihm, der ebenfalls seit 40 Jahren Mitglied der SPD ist, erhielt die Willy-Brandt-Medaille, was prompt zu gehöriger Aufregung in einigen lokalen Medien führte: Emil Mihm war nämlich bereits 2002 mit der Willy-Brandt-Medaille ausgezeichnet worden. Dies war infolge eines Versehens in der SPD-Geschäftsstelle übersehen worden. Wo gehobelt wird, fallen Späne, meinte der SPD-Geschäftsführer Jürgen Buchenau hierzu. Sabine Waschke versprach: Statt der Medaille bekommt Emil Mihm nun eine gute Flasche Wein, damit kann er als frankophiler Mensch immer etwas anfangen.
FuldaInfo: Körzell: “Es gibt eine katastrophale Unordnung auf dem Arbeitsmarkt“
OsthessenNews: Leiharbeiter, Niedriglohn und "doppelte" Brandt-Medaille – SPD-Neujahrsempfang