Ein Mann, der sich im Fernsehen als Rassist, Sexist und Egomane inszeniert, gewinnt die Präsidentschaftswahl in den USA. Dieses Land hat nach diesem Wahlkampf tiefe Narben erlitten. Und welches Omen ist dies für die Wahlen in Frankreich, den Niederlanden und Deutschland? Ist es vielleicht das Ende eines Zeitalters? Stürzen wir in eine dunkle Epoche? Oder wie steht es um die Welt?
Es ist ein besonderes und sehr seltenes Privileg, dass wir in diesen Tagen in einer solchen Staatsform wie jetzt leben dürfen. Natürlich gibt es viele Probleme, doch diese können behoben werden und sie sind nichts, im Vergleich zu den Problemen anderer Staatsformen. Über Jahrhunderte haben nur wenige Menschen jemals dieses Privileg genießen dürfen. Sueton berichtet von Kaisern, die willkürlich Menschen hinrichteten, sich der Gier und Wollust hingaben, die sich lieber damit beschäftigten Fliegen die Flügel auszureißen, als zu regieren. Trotzdem stand die größte Blütezeit des Römischen Reich, vor allem den dort lebenden Menschen, noch bevor.
Man kann heutzutage in Deutschland schnell vergessen, dass eine solche Staatsform, wie wir sie haben, kein Gott gegebener Segen ist. Ein Blick in die Geschichtsbücher sollte genügen, um sich daran zu erinnern. Der natürliche Zustand aller Nationen ist ein völlig anderer. Es ist ein Zustand des Autoritarismus, Demagogie, Korruption, Monopol, Rassentrennung und staatlich geförderte Gewalttaten. Unsere Zeit wird nicht jetzt plötzlich ungewöhnlich, sondern wir leben bereits in einer ungewöhnlichen Zeit.
Diese gewagte Wette von einer Staatsform, die sich Frieden, Chancengleichheit und Toleranz verschrieben hat, der so in Konflikt mit unseren Trieben steht, ist das außergewöhnliche unserer Zeit.
Terrorismus, Migration, Krieg und Herrscher, die nicht wissen was sie tun oder schlicht wahnsinnig sind, liegen mehr in unserer Natur. Und sollte diese noch in schlimmerer Form eintreten, ist dies nicht der Anfang eines dunklen Zeitalters, sondern der Anfang, eines normalen Zeitalters. Friedliche und tolerante Zivilisationen waren schon immer ein unwahrscheinliches Konzept.
Diejenigen, die Angst haben, werden in der Regel getröstet. Alle Optimisten werden sagen, es wird schon gut werden. Jedoch sollten wir uns lieber mit einem dunkleren Gedanken beschäftigen. Nämlich jenen, öfters einmal an Katastrophen zu denken und nicht nur dann, wenn es mal kurz in den Nachrichten erscheint. Nicht zuletzt, damit die Angst nicht immer wieder neu geschürt werden kann.
Die Menschheit musste schon unglaubliche Grausamkeiten überstehen. Ein Beispiel hierfür ist der erste Weltkrieg. Trotzdem gab es in dieser Hölle wunderschöne Blüten der Menschlichkeit. Eine Hölle, die man sich nicht mehr im Entferntesten vorstellen kann. Dennoch gab es unzählige Menschen, die dies überstanden haben.
Und das wir uns dies nicht mehr vorstellen können, ist ein großartiges Zeichen, für das Glück unserer Zeit. So müssen wir uns in Erinnerung rufen, dass in jeder Ruine ein Haus gebaut werden kann und sogar im Krieg gibt es ein Leben zu Leben. Nichts ist jemals richtig unerträglich, nicht zuletzt, weil wir stets Zugang zu dem besten Fluchtweg besitzen.
Die stoischen Philosophen des antiken Roms, die armen Seelen, die unter den Eskapaden ihres hysterischen, dünnhäutigen und mörderischen Kaiser leben mussten, beruhigten sich damit, dass sie ihre Adern gegen das Licht hielten und Freiheit schrien, mit der Gewissheit, dass wenn alles schier unerträglich wird, gibt es einen Ausweg, der alles in Minuten beenden konnte.
Wir sollten nicht überrascht sein von dem Wahnsinn oder den dunklen Gedanken unserer Mitmenschen. Aus der Nähe betrachtet sind sie schön, hart arbeitend und meist großzügig gegenüber Kindern und Senioren, jedoch sehr anfällig für Täuschungen, Gewalt, Gier, Zorn und Angst – vor allem vor fremden Mitmenschen.
Denn das ist das, was das menschliche Tier ist. Diese Regungen der Evolution, die immer noch tief in uns schlummern. Die Definition des Menschen ist die, dass er ein vernunftbegabtes Wesen ist. Jedoch gibt uns diese Definition eine falsche Erwartungshaltung. Der Mensch ist in erster Line ein emotionales Wesen. Es braucht schon einen sehr starken Geist und viel Energie, um die Vernunft über diese natürlichen Triebe zu stellen – und selbst jene die es gut können, vergessen das ab und zu.
Alles Gute, ob im Großen oder Kleinen, braucht Ausdauer und Pflege. Dies ist selten spektakulär oder aufregend. Dennoch ist dies der einzige Weg, zu einer guten Beziehung mit seinen Mitmenschen, zu einem guten Leben und zu einer guten Regierung. Eine Regierung die von Toleranz und Weisheit geleitet wird, ist ein fragiler Kristall. Um diesen zu erhalten bzw. zu erlangen, muss man viel Mühe und Sorgfalt investieren.
Es ist anstrengend, langwierig und ein von Rückschlägen gepflasterter Weg. Doch haben sich unzählige vor uns, sich bereits auf diesen Weg begeben und das, was wir heute haben erst möglich gemacht.
Wenn wir diesen Weg weiter beschreiten, geht es uns vielleicht wie Sueton, nämlich das die Zeit der größten Blüte noch vor uns liegt.